Ein hoher Innovationsdruck sowie die zunehmende Digitalisierung und Internationalisierung bestimmen das Geschäftsumfeld im Agribusiness. Das hat den Bedarf an qualifiziertem Personal erheblich gesteigert. Was unsere Branche so interessant macht, zeigt Johannes Eger.

Klimakiller, Massentierhalter, Boden- und Grundwasservergifter, MRSA-Keimverbreiter: Immer wieder steht die Landwirtschaft angesichts solcher Schlagzeilen im Fadenkreuz der Kritik. Dabei sind neben der öffentlichen Diskussion über mehr Nachhaltigkeit – und das in einer der nachhaltigsten Branchen
überhaupt – auch wirtschaftliche Herausforderungen in vielen landwirtschaftlichen Betrieben an der Tagesordnung. Für außenstehende Beobachter sind das wirklich keine goldenen Aussichten. Welche Möglichkeiten bietet uns das Agribusiness dennoch? Welche Fähigkeiten sind in unserer Branche gefragt? Wie können Karrierewege für junge Menschen aussehen?

Die Agrarbranche ist universell. Die Kunst von Ackerbau und Viehzucht ist so alt wie die Menschheit selbst. Und jede Generation hatte ihre Herausforderungen. Wo es früher galt, dem Boden das »täglich Brot« abzutrotzen, stehen heute Nachhaltigkeit, effizienter Ressourceneinsatz und oftmals auch regionale Produktion im Vordergrund. Vergleichsweise stark hat sich auch das Berufsbild unserer Branche geändert. Wer im vorigen Jahrhundert einen Abschluss in Agrarwissenschaften besaß, hatte oftmals als Wunscharbeitgeber die Offizialberatung oder den elterlichen
Betrieb auf dem Schirm.

Heute steht dem qualifizierten Absolventen ein breites Spektrum möglicher Arbeitgeber offen: Vom Weltkonzern über renommierte Mittelstaänder bis hin zu kleineren familiengeführten Unternhemen. Landtechnikhersteller, Pflanzenzüchter, Agrarhandel und -dienstleistungen oder die verarbeitende Industrie – die Möglichkeiten sind vielfältig. Das Aufgabenspektrum reicht von der Rohstoffversorgung über Produktmanagement und Vertrieb bis hin zu Forschung und Entwicklung. Sie sehen: Ein Agrarstudium eröffnet viele Möglichkeiten sowohl für den Jobeinstieg als auch für die weitere Entwicklung der Karriere.

Die Vielfalt ist groß. Zugegebenermaßen verliert man bei den Angeboten für Berufseinsteiger schnell einmal den Überblick. Hier der berufliche Direkteinstieg, dort das vielversprechende Trainee-Programm. Oftmals müssen zunächst gleichlautende Stellenbezeichnungen bei verschiedenen Arbeitgebern komplett unterschiedlich interpretiert werden. Eine Stellenbezeichnung »Produktmanager« kann bei fünf Unternehmen durchaus fünf unterschiedliche Ausrichtungen haben: von reiner Vertriebsfunktion, über die fachliche Verkaufsunterstützung, bis hin zum Entwickler von Produkt- und Dienstleistungsideen. Hier ist es ratsam, die Position genau zu hinterfragen und sich die Aufgaben im Einzelnen zu verdeutlichen.

An dieser Stelle sei auch die Möglichkeit eines Einstieges in den Vertrieb besonders erwähnt. Oftmals scheint dies für Berufseinsteiger zunächst keine attraktive Option. Die Erfahrung lehrt allerdings häufig Landwirtschaft ist vernetzte Wertschöpfung und Teil eines engen Geflechts
unterschiedlicher, teils hoch innovativer Sektoren.Agribusiness das Gegenteil. Wer kommunikative Stärken besitzt, gerne mit Menschen arbeitet und flexible Arbeitszeiten bevorzugt, ist in einer Vertriebsfunktion genau richtig aufgehoben. Dazu locken attraktive Gehaltspakete mit Homeoffice-Ausstattung, Geschäftswagen und freie Zeiteinteilung. Dennoch: Auch bei diesem Berufsbild ist die Tätigkeit genau zu hinterfragen. Wer ist meine Kundenklientel? Betreue ich beispielsweise Händler, Landwirte oder sogar beide? Erhalte ich ein bereits eingeführtes Vertriebsgebiet oder handelt es sich um eine bisher unbearbeitete Region? Wie sehen die Ziele der Führungskräfte für mein Gebiet aus?

Je nach Ausrichtung der Tätigkeit sind unterschiedliche Fähigkeiten gefragt. Während im Vertrieb an Landwirte vor allem die landwirtschaftliche Praxis verstanden werden muss, um auch fachlich zu überzeugen, gilt es im Verkauf an Handelspartner diese zu motivieren und mit strategischer
Weitsicht zu arbeiten.

Leidenschaft ist das Leitbild. Wenden wir den Blick aber nun auf die potentiellen Arbeitgeber. Es zeigen sich bei vielen Unternehmen des Agribusiness, egal in welcher Sparte, ähnliche Wertvorstellungen. Bodenständigkeit und moderne Denkweisen gepaart mit der Leidenschaft für Landwirtschaft – so lässt sich die Firmenkultur oftmals beschreiben. Die nachhaltig gewachsenen Unternehmen mit ihren Werten wie Tradition, Nachhaltigkeit und fairem Umgang untereinander gepaart mit Handschlagqualität auf der einen Seite und modernen Einflüssen durch die Digitalisierung (Stichwort Landwirtschaft 4.0)
auf der anderen Seite, bieten Arbeitnehmern langfristige Perspektiven.

Viele Global Player unserer Branche sind auch im 21. Jahrhundert noch inhabergeführt und in Familienbesitz. Entsprechend familiär gestaltet sich meist die Atmosphäre in diesen Unternehmen. Man setzt auf langfristige Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen, dazu baut man oftmals auf sogenannte »Eigengewächse« in Führungspositionen. Ein Umfeld, in dem man gerne arbeitet. Diese Gegebenheiten bieten eine optimale Umgebung für junge Menschen mit dem notwendigen Biss, Ehrgeiz und mit einer gesunden Portion Eigeninitiative. Es sind Querdenker genauso gefragt wie strukturierte Typen. Dabei sollte aber auch immer die landwirtschaftliche Praxis ein Teil der Ausbildung gewesen sein, egal ob in Form von Praktika, betrieblicher Ausbildung oder elterlichem Betrieb. Stallgeruch oder ackerbauliches Verständnis gelten häufig als wichtiges Entscheidungskriterium in den Personalauswahlprozessen und sie sind ein echter »push-Faktor« in Lebensläufen.

Agribusiness ist Faszination. Genau dies vermittelt die Agritechnica jedes Mal aufs Neue. Große Maschinen, moderne SmartFarming Technologien und künstliche Intelligenz sind nur einige Schlagworte der diesjährigen Messe. Dabei stehen hinter aller Technik immer Menschen, die genau diese Faszination täglich aufs Neue leben und erleben. Von großem Enthusiasmus geprägte Ideen bringen die Branche weiter. Wer diese Faszination spürt, ist gerne ein Teil dieser großen Familie. Denn egal welche gesellschaftliche Diskussion geführt und politische Maßnahmen auch kommen werden – diese Herausforderungen
zu stemmen, ist Teil der Aufgabe in den nächsten Jahren.

Dabei beinhalten Veränderungen immer auch Chancen. Die Geschichte lehrt uns dies eindrucksvoll am Beispiel der Motorisierung auf dem Acker. Wer früher als Hufschmied gearbeitet hat, beschlug Pferde für die schwere Arbeit auf dem Feld. Der nächste Schritt in der Entwicklung von Technik für den Ackerbau war der Schlepper, welcher gänzlich andere Serviceleistungen erforderte. Ähnlich kann auch die aktuelle Diskussion um die Landwirtschaft gesehen werden. Egal, in
welche Richtung es gehen wird – die Branche ist offen für neue Ideen und den Tatendrang junger Menschen. Beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere im Agribusiness.

Johannes Eger,
AGRI-associates Personalberatung,
Nördlingen, www.agriassociates.de

Quelle: DLG-Mitteilungen Ausgabe 11/2019 Seite 4-7